500 000 Spekulanten und Autohändler?

Klaas Anders

Eine der Zeitungen, die wir uns im Rahmen des Projektes genauer ansehen werden, ist das „Neue Deutschland“. Diese Zeitung war von 1946 bis 1989 das publizistische Zentralorgan der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, kurz SED. Nach dem Zusammenbruch des Staatssozialismus und der Auflösung der DDR befand sich die Zeitung ähnlich wie die SED in einer tiefen Sinnkrise. Die SED unterzog sich schließlich einem aufwendigen Reformationsprozess und wurde 1990 zur Partei des Demokratischen Sozialismus, kurz PDS. Das „Neue Deutschland“ bleibt weiterhin im Besitz der Partei und versuchte sich ebenfalls neu in den Spannungsfeldern zwischen DDR-Nostalgie und Reformismus, zwischen Ost und West zu orientieren. Natürlich war der Abzug der russischen Truppen ein viel diskutiertes Thema im Osten Deutschlands, als dessen Stimme sich das „Neue Deutschland“ sah. So kommentierte am 02.9.1994 Klaus Herrmann, der ständige Korrespondent der Zeitung in Moskau:

„Über solche politischen sind auch die menschlichen Probleme nicht zu vergessen. Wo werden die heimgeholten Soldaten und Offiziere leben und wie? Schließlich kehren nicht, wie vielfach suggeriert, 500 000 Spekulanten und Autohändler heim, sondern vor allem freudig und stolz begrüßte Väter, Söhne und Familien nach Erfüllung einer einzigartigen Pflicht. Jetzt gehen sie auf die Suche nach anständigem Obdach, ehrlicher Arbeit und leidlichem Auskommen. Im Rückblick auf die Vergangenheit und beim Ausblick auf die Zukunft gibt es im Rußland dieser Tage durchaus gemischte Gefühle. Schließlich folgt auf alle Paraden und hehren Worte der Alltag eines Reiches in der Krise.“

Deutlich wird hier vor allem eines: auch im „Neuen Deutschland“ scheint es gemischte Gefühle gegeben zu haben. Welche Topoi noch in der Zeitung (und in anderen Medien im Osten Deutschlands) mit dem Abzug der russischen Truppen verbunden wurden, werden wir in den kommenden Wochen und Monaten recherchieren und hier illustrieren.

Literatur und Quellen:

Hermann, Klaus: Rußland zeigt gemischte Gefühle. Moskau bereitet sich auf den Empfang seiner heimkehrenden Soldaten vor, 02.09.1994,  in: https://www.neues-deutschland.de/artikel/504784.russland-zeigt-gemischte-gefuehle.html?sstr=Abzug|Russische|truppen, (eingesehen am: 23.04.2019).

Eine Fotostrecke zum Abzug der Roten Armee. Aber wie überhaupt?

Ivone Domanski, Svea Mumme, Elena Weyer und Maximilian Szadziewski

Eine Fotostrecke sehen, ja. Aber sie selber zu erstellen, damit haben unsere Gruppenmitglieder noch keine Erfahrung. Und so wird diese Blogreihe für jene interessant, die sich fragen, wie man eine Fotostrecke erstellt und was dabei beachtet werden muss. Durch sie wird im Alltag gescrollt und geklickt und doch macht man sich bei der Nutzung wenig Gedanken. Nahezu alle Tageszeitungen nutzen sie, aber warum? Welche Funktionen hat eine Fotostrecke und warum bedienen sich Redaktionen dieser? Fotostrecken erscheinen meist gepaart zu einem aktuellen Thema – einem, zu dem auch ein Artikel verfasst wurde. Ebenso wird unsere die Arbeit der Projektgruppe „1994 revisited: Die Rote Armee zieht ab“ begleiten. Aber in welcher Form soll sie aussehen? Eines wird klar: Sie soll den „Leser“ dazu animieren, auch mal weiter zu lesen. Wenn die Strecke attraktiv gestaltet ist, bleibt der Nutzer hoffentlich sogar auf der Webseite und vertieft sich im Thema.

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Vor 25. Jahren verließen die Truppen der „Roten Armee“ das Gebiet der ehemaligen DDR – Eine Annäherung an eine vergessene Debatte?

Klaas Anders, Esther Lösse und Tabea Thoele

„Sollen wir euch die Wahrheit sagen? Der Ort, den wir verlassen, ist schön und dort wo wir hingehen ist gar nichts.“

Mit dieser fatalistischen Feststellung verabschiedet sich einer der Soldaten der – ehemaligen – Roten Armee aus der – ehemaligen – DDR. Zum 25. Jahrestag des Abzugs im August 2019 gilt es für uns, die Debatten zu rekonstruieren, die damals um den „stillen“ Abzug der Truppen in Russland und (Ost-)Deutschland geführt wurden. So brachte das Ende von über 40 Jahren Koexistenz zwischen russischen Truppen und einheimischer Bevölkerung auch ganz praktische Fragen mit sich: nach dem Rückbau der Kasernen auf der einen Seite und auf der anderen Seite nach der Reintegration der Rückkehrenden in eine Gesellschaft, die nach dem Zerfall der einstigen Großmacht noch immer in einer tiefen Krise steckte.

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