„Okay, dann machen wir Interviews!“ – Aber wie?

Lea Pörtner

Bei dem Projektthema „Visualizing memories – Der lange Weg der Russlanddeutschen“ sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Viele Gruppen haben sich dazu entschieden, Interviews zu führen, um die Personen „hinter der Geschichte“ zu zeigen. Wir beschäftigen uns beispielsweise mit Russlanddeutschen als SowjetbürgerInnen und versuchen ihren Alltag und Erinnerungen durch Fotos darzustellen. Aber wie kommt man an diese wichtigen Informationen?

Der lang erwartete Interviewtermin steht nun endlich fest und rückt immer näher. Neben den Erwartungen an das Gespräch kommen vielleicht immer wieder mal Fragen auf: Wie wird das so sein? Worauf muss ich achten? Und so weiter und so fort. Allen voran steht bei vielen oft die Frage: Vorgespräch – ja oder nein? Beides hat Vor- sowie Nachtteile. Ohne Vorgespräch weiß der/die InterviewteilnehmerIn vielleicht nicht so ganz, was auf ihn oder sie zukommt und der Gesprächseinstieg könnte schwerlich werden. Diese Probleme könnten durch ein Vorgespräch vermieden werden, allerdings besteht dort die Gefahr, dass die Person schon zu viel aus ihrem Leben erzählt und gebremst werden muss.

In unserer Gruppe haben wir ohne Vorgespräch gearbeitet und dies hat ganz gut funktioniert. Allerdings sollte man ein Nachgespräch nicht komplett ausschließen, da es passieren kann, gerade bei dem Thema Erinnerungen, dass der/die GesprächspartnerIn in der Nacht schlaflos im Bett liegt und über Sachen nachdenkt, die vielleicht vergessen worden sind zu erzählen, aber als äußerst wichtig bewertet werden. Einen Termin zu einem Folgetreffen kann man also immer anbieten. Aufgrund dieser beidseitigen Nachfragen ist es wichtig, Kontaktdaten auszutauschen.

Für das Interview an sich kann ich nur eins vorweg sagen: Nehmt euch Zeit! Ein Gespräch kann zeitlich sehr variabel gestaltet sein – manche reden 30 Minuten, während andere drei Stunden über ein Thema reden können. Da ein Interview immer auch eine sehr persönliche Interaktion ist, in der vielleicht auch über unangenehme Themen gesprochen wird, sollte die Gesprächsatmosphäre so angenehm wie möglich gestaltet werden – gestresste Blicke auf die Uhr stören nur!

Der Gesprächsort spielt auch eine wichtige Rolle und sollte nach Möglichkeit da stattfinden, wo der/die TeilnehmerIn sich wohl fühlt – beispielsweise zu Hause, im Gemeindehaus oder in der Natur bei einem Spaziergang.

Man sollte bedenken das ein so ausführliches Gespräch für alle Anwesenden sehr anstrengend sein kann, weshalb ein Gespräch am Tag wirklich reicht – auch, wenn es zunächst nicht so scheint.

Es ist außerdem ratsam, sich zunächst Gedanken über die passende Interviewmethode zu machen.

Für unser Thema hat sich das narrative Interview angeboten, da es so den TeilnehmerInnen die Möglichkeit gab, über ihre Erlebnisse und Erinnerungen zu sprechen. In einem narrativen Interview¹ lässt man die Person frei erzählen und unterbricht den Gesprächsfluss nicht. Erst in der „Rückholphase“ werden Fragen gestellt. Hier kommt es öfters zu „Zeitsprüngen“ innerhalb der Erzählungen, da das Sich-Erinnern in der Regel nicht stringent abläuft, sondern so, wie die Gedanken „gerade kommen“. Aber dieses „Problem“ lässt sich in der Aufbereitung der Interviews und der Transkription einfach lösen.

Anfängliche „Anlaufschwierigkeiten“ sind auch ganz normal, auch wenn man sich als InterviewerIn gleich tausend Gedanke darüber macht, ob man überhaupt die gewollten Informationen kommt, wenn das Gespräch schon so schlecht startet. Wichtig ist: Keep calm and carry on! Auch der/die GesprächspartnerIn muss sich erst an die Situation gewöhnen.

Und am Ende kommt es eh nie so wie gedacht. Unsere Gruppe hat die Interviews schon gemeistert und ist mit viel Material nach Hause gekommen. Aber wie entsteht aus den mehreren Stunden Interviews und den tausenden Bildern nun ein Format? Dies ist nun die nächste Frage, die wir uns stellen – und hoffen auf eine baldige Antwort. Es bleib also spannend.

Literatur

¹ Dieser Artikel gibt einen guten Einstieg ins Thema: https://studi-lektor.de/tipps/qualitative-forschung/narratives-interview.html .

Ansonsten kann ich das Buch „Interpretative Sozialforschung: Eine Einführung“ von Gabriele Rosenthal (Beltz Juventa Verlag) nur empfehlen.

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