Es werden uns die geliebten russischen Birken empfangen

Klaas Anders

Im Sommer 1994 reden fast alle deutschen Medien von der kontroversen Verabschiedung der russischen Truppen in Berlin. Gabriele Goettle, eine Journalistin der linksliberalen Tageszeitung „taz”, stellte dies ebenfalls fest und fand es daher interessanter, sich das sogenannte „Deutsch-Russische Volksfest in Wünsdorf“ anzusehen. In Wünsdorf, einer Stadt mit einer langen militärischen Geschichte (schon im Kaiserreich waren hier Truppen stationiert) war seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs Heimat für die „Westgruppe der Truppen”, ehemals „Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland”. Hier feierte das russische Militär den Abschied von ihren deutschen NachbarInnen. Goettle fragte ihm Rahmen ihrer Recherchen die Pressestelle der Wünsdorfer Militärpräsenz auch nach dem Text des Abschiedsliedes, dass die verabschiedeten Truppen in Berlin singen wollen. Ein Pressesprecher legte ihr peinlich berührt eine spontane Übersetzung vor. Wie er sagt, „[…] nicht gereimt, leider.” Der Text dieses Liedes in der Übersetzung des überraschten Pressesprechers zeigt die Hoffnung der Heimkehrenden auf eine Heimat, die sie mit offenen Armen begrüßen würde:

„Lebe wohl Deutschland, lebe wohl / Wir verabschieden uns nun und erwarten die Umarmungen der Heimat / Erinnert euch an uns, an die Soldaten der russischen Armee, die die Welt von der braunen Pest befreit haben / Lebe wohl, Deutschland, lebe wohl / Uns erwartet nun das liebe Vaterland / Der Brand des Krieges ist seit langem gelöscht, und wir verabschieden uns heute in Freundschaft.

Refrain: „Empfange uns Heimat, alle / Lebe Land und blühe / Wir haben unsere Pflicht bis zum Ende erfüllt, jetzt schlagen unsere Herzen für Rußland / Es werden uns die geliebten russischen Birken empfangen, Tau wird auf ihren Blättern funkeln. Die Mutter wischt heimlich Freudentränen fort, es leuchten die Augen des Mädchens / Wir gehen, doch unsere Lieder bleiben / In ihnen lebt eine einfache russische Seele / Mögen sie von Herz zu Herz fließen und davon erzählen, wie Rußland gut ist.“

Diese Hoffnung stellte sich als trügerisch heraus. Die Verteilung der multinationalen Truppen in die nun teilweise autonomen Republiken und ihre Unterbringung, stellte die junge Russische Republik vor eine logistische Unmöglichkeit. Die Perspektive der Heimkehrenden und die Wahrnehmung eben dieser in russischen und deutschen Medien, wird uns in unserer weiteren Recherche immer wieder begegnen.

Quellen:

Goettle, Gabriele: Lebe wohl, Deutschland, in: Taz, 27.06.1994, S.15-17, online in: http://www.taz.de/!1556026/, (eingesehen am: 23.05.2019).

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