Klaas Anders
„Die Kampagne zeigt Wirkung. Der Abschiedsplan, von den Männerfreunden Kohl und Jelzin schon vor Wochen am Telefon besprochen, steht plötzlich weit oben auf der Tagesordnung des Staatsbesuchs.“
Bei der Betrachtung des zeitgenössischen Pressespiegels um den Abzug der russischen Truppen aus der Bundesrepublik Deutschland fällt ein Narrativ immer wieder auf: die „Männerfreundschaft” oder auch „Saunafreundschaft” zwischen Russlands Präsidenten Boris Jelzin und dem deutschen Kanzler Helmut Kohl. Diese Freundschaft spielte bei der Planung der Inszenierung des Abzuges und bei Jelzins vorangegangen Staatsbesuch eine entscheidende Rolle. Jelzin war kurz davor, einen gemeinsamen Abschied mit den Westalliierten in Berlin inklusive militärischen Ehren durchzusetzen – Kohl lehnte dies jedoch erst einmal ab. Diese Entscheidung belastete die „Männerfreundschaft” der Beiden immens.
„Kohl war auf dem besten Weg dazu – und Jelzin hatte die Widerstände in Moskau unterschätzt. Das Konzept für einen „Abschied in Würde“ hatte Saunafreund Boris daheim in die Bredouille gebracht.”
Kohl entschied, die russischen Truppen in Weimar zu verabschiedenden. Die thüringische Stadt war aus verschiedenen Gründen eine sehr kontroverse Wahl: Zum einen rückte die räumliche Nähe zum ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald die Inszenierung des Abschiedes in eine andere Richtung, als die russische Seite es sich gewünscht hätte, da Buchenwald nach Ende des Zweiten Weltkrieges kurze Zeit als Lager des NKWD fungierte. Zum anderen wurde Weimar nicht von der Roten Armee befreit, sondern durch die USA. Mit Weimar habe man daher nichts zu tun, erklärte etwa der Oberbefehlshaber der Westgruppe der russischen Truppen, Matwej Burlakow.
Dass Kohl Entgegen der Wünsche seines Freundes Jelzin, Weimar als Abschiedsort durchsetzen wollte, brachte Jelzin in Russland erheblichen Gegenwind ein: Man fühlte sich unehrenhaft abserviert seitens der deutschen „Freunde“. Auch Kohl irrte mit seiner Annahme, sich bei seiner WählerInnenschaft mit der Härte gegen Russland beliebt zu machen. Die Mehrheit der Deutschen befürwortete laut Umfragen einen gemeinsamen Abschied. Schlussendlich konnte Jelzin sich gegenüber seinem Freund zumindest in der Ortswahl durchsetzen: Der Abschied erfolgte zwar räumlich getrennt von den Westallierten, aber immerhin in Berlin. Der Streit um diese Inszenierung war ein sehr unglückliches Unterfangen, dass für Helmut und Boris wohl längere Gespräche in der Sauna (oder auch der Banja) mit sich brachte.
Quellen:
Jelzin-Besuch: Gute Nacht! Hände hoch! in: DER SPIEGEL 19/1994, S. 28-29, in: https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13855499.html, (eingesehen am: 23.04.2019).
Truppenabzug: Getrennt feiern, gemeinsam abziehen, in: DER SPIEGEL 20/1994, S. 26-28, in: https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13855538.html, (eingesehen am: 23.04.2019).