Alle Wege führen nach Detmold?

Julia Rössing

Wie findet man geeignete Fotografien für ein Visual auf dekoder.org? Diese Frage beschäftigte unsere Gruppe in den vergangenen Wochen sehr. Schlussendlich stellte sich für uns heraus: Die visuellen Schätze der russlanddeutschen Kultur sind in Detmold zu bergen.

Zu Beginn unserer Projektlaufzeit stellte sich natürlich zunächst die Frage, welches Format das gewünschte Projektthema annehmen soll. Nachdem ich einige Zeit auf dekoder.org gestöbert hatte, stand für mich fest: Ich möchte gerne ein Visual realisieren. Nach interner Absprache in unserer Zweiergruppe wurde sowohl für mich, als auch für meine Gruppenpartnerin Lisa klar, dass wir eine Fotostrecke zum Thema „Nostalgie der Russlanddeutschen“ konzipieren möchten.

Nach der anfänglichen Begeisterung kristallisierte sich jedoch schnell heraus, dass diese Art des Wissenstransfers ihre Tücken bereithält. Auch wenn wir beide viele Ideen (in denen Plov- Töpfe unter anderem eine Rolle spielten) im Kopf hatten, kam das eigenständige Fotografieren einer Bildstrecke nicht infrage. Daher mussten wir uns auf die Suche nach „externen“, bereits bestehenden Fotos machen. Keine leichte Aufgabe, wenn man selbst schon eine Konzeptidee vor dem inneren Auge hat. Die Fotos sollten schließlich sowohl einen Bezug zum Thema der Russlanddeutschen, als auch zu unserem gewählten Thema der Nostalgie aufweisen und auch einen gewissen künstlerischen Standard erfüllen. 

Durch einen Hinweis der Seminarleiterin, Prof. Rüthers, stießen wir auf das Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte in Detmold. Die Archive dieses Museums ließen verheißungsvolle Bildschätze vermuten. So kontaktierten wir das Museum und erhielten nach einigem Hin und Her den Link zum digitalen Bild- und Fotoarchiv. In besagtem Archiv befindet sich eine große Sammlung aus alten und neuen Fotografien, Bildwerken und Dokumenten. Beim ersten Sichten der Fotos stieß ich auf viele Privatfotografien, die teilweise in Deutschland und teilweise in Russland aufgenommen worden waren. Es sind Familienfotos vorhanden, Einzelportraits, aber auch Fotos von besonderen Anlässen, wie den „heimlichen“ christlichen Taufen, von denen uns schon die Vorsitzende des HVDAR, Valentina Wassiljew, berichtet hat. Die Durchsuchung des gesamten Archivs des Museums in Detmold hätte uns zwar viel Zeit gekostet, aber mit Sicherheit auch spannende Materialien für unser Visual geliefert. Dennoch bewegte sich unsere finale Entscheidung in eine andere Richtung.

„Ich hab was Tolles für euch gefunden!“ Mit dieser guten Nachricht begrüßte uns unsere Dozentin Mandy in der Seminarsitzung vor den Weihnachtsferien. Sie war auf einen russlanddeutschen Fotografen namens Artjom Uffelmann gestoßen, der im Jahr 2012 in einem selbst durchgeführten Fotoprojekt die verlassenen Kirchen der Wolgadeutschen abgelichtet hat. Auch wir waren von seiner Arbeit begeistert und nach der Kontaktaufnahme (neumodisch über Instagram Direct Messages) erklärte sich Herr Uffelmann bereit, uns seine Fotografien für das Visual zur Verfügung zu stellen. 

Das Besondere an seinen Bildern ist nicht nur die Motivwahl der verlassenen Kirchen, sondern auch das Verfahren der Fotografie selbst. Diese Methode heißt Ambrotypie und erfordert für die Durchführung einiges an handwerklichem Geschick. Ambrotypie „ist ein Direktpositiv-Verfahren: eine Kolidiumschicht wird auf eine Glasplatte aufgetragen und in einer Plattenkamera direkt belichtet und danach sofort entwickelt. Anfangs ist die Glasplatte ein Negativ und nur durch das Auflegen auf eine schwarzlackierte Platte oder schwarzen Samt wird das Bild in ein positiv wahrgenommenes umgewandelt“¹ . Das sagt uns als Laien der Fotografie erstmal nicht viel. Sicher ist nur, dass dieses Verfahren aus dem 19. Jahrhundert sehr aufwendig ist und unglaublich stimmungsvolle Fotografien hervorbringt. 

Am Ende unseres Rechercheprozesses wurde klar: Artjom Uffelmann hat seine Ambrotypien der Wolgadeutschen Kirchen bereits im Rahmen einer Sonderausstellung präsentiert – in Detmold! Hierdurch „schließt“ sich quasi unser Kreis und unsere Recherche endet dort, wo wir vor vielen Wochen angefangen haben. Auch wenn wir die Fotografien über Herrn Uffelmann direkt erhalten haben, scheinen hinsichtlich der visuellen Kultur der Russlanddeutschen doch irgendwie alle Wege nach Detmold zu führen.


¹https://scherbensammeln.wordpress.com/2014/10/13/die-kirche-im-dorf-gelassen-eine-fotografische-zeitreise/ zuletzt aufgerufen: 12.01.20

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